08/09 RW Ahlen - MSV Duisburg (0:2)


Ahlen war schon immer ein Knaller, auch wenn jeder von uns schon locker 7 Mal da war macht die Büchse immer noch Spass! Ein absoluter Drecks-Ground, Old-school bis der Arzt kommt, mit nem Fassungsvermögen vom Kofferraum eines Audi A6.
Aber das Wetter hatte Bock. Duisburg ebenso. Auch wenn der Aufstiegszug nach den Niederlagen zwar schon lange aus dem Bahnhof raus, war sammelte sich eine prächtige Portion Duisburger Freitagmittag am Bahnhof um den Zweitliga-RE zu entern.

Gute Fahrt, gute Stimmung! Entspannte Atmosphäre, bis wir in Ahlen ankamen. Vor dem Bahnhof wurden einige Böller gezündet, passiert ist aber nix. Auch die Polizei griff an dieser Stelle nicht ein, sondern eskortierte uns mit einem dezent übertriebenen Polizeiaufgebot zum Ground. Vor der allseits beliebten Bude gab's ne Kette, die Bude war zu. Dafür aber auch Polizisten mit Hunden, die komplett austickten, wenn man zu nah daran vorbeiging. Warum ein Hund an einer solchen Stelle direkt neben vorbeilaufende Fanmassen - und das ohne Maulkorb - gestellt werden muss wird ein Geheimnis bleiben. Dass der Polizist kein Verständnis dafür hat, dass man an seinem Hund vorbeiläuft ebenso.

Vor dem Stadion große Schlangen, ca. 1000 Duisburger waren tatsächlich am Start. Drinnen wieder gute Stimmung, gutes Wetter und ne Menge Bock auf MSV. Die Neuerung war die Stahlrohrtribühne direkt hinter dem absolut fanunfreundlichen Gästeblock, der ja bekanntermaßen aus drei Stufen besteht und man somit das Spiel auf Platzhöhe verfolgen muss. Dass das Ding reizte war klar.
Kurz vor Spielbeginn liefen einige Duisburger an dem dort postierten Ordner vorbei und hoch auf die Tribüne - geile Aktion, die man lange nicht in Duisburg gesehen hat. Nach kurzer Zeit lenkten die Ordner daraufhin ein und öffneten hochoffiziell die Eingänge, so dass sich ein anständiger Mob oben versammeln konnte.

MSV und gutes Wetter hat in der Regel einen Effekt - die Jungs spielen Scheiße. Die erste halbe Stunde sah wirklich noch nach Fußball aus, erst ging Adler volles Brett in den Strafraum und wurde gut umgemäht, den fälligen Elfer jagte Tararache in die Ecke. Kurz danach wieder Adler mit nem abgefälschten Schuss und die Bude wackelte. Das brachte die Stimmung im oberen Block ans clippen, Dauersupport ohne Ende! Das Spiel wurde zwar schlechter, die Stimmung aber dafür umso geiler, mittlerweile schrie sich hier fast jeder die Seele aus dem Leib.

Zweite Hälfte - unvorstellbar! Es wurde angestimmt - und es hörte nicht auf! 45 Minuten lang gab es Dauersupport, Non-Stop ein Lied, auch das hatte Duisburg lange nicht erlebt. DAS war Liebe zum Verein, DAS war Fußball! Glückliche Gesichter egal wo man hinsah, es gab keinen mehr der nicht sang! Trotz der akkustischen Vollkatastrophe von Wersestadion war es saulaut, die pure Partystimmung, die Leute lagen sich in den Armen. Nach dem Abpfiff gab's ne standesgemäße HUMBA, die Mannschaft wurde abgefeiert und wir wollten mal langsam runter von der Tribüne und Richtung Bahnhof. Unten war aber erstmal Ende.

Während der Feierei im Block gab es wohl am Ausgang einige Rangeleien mit den anwesenden Ordnern, da wir noch im Block waren will und kann ich hier nicht sagen, wer angefangen hat oder was der Grund war. Anstatt beschwichtigend die Situation zu beruhigen sah man plötzlich große Mengen Pfefferspray durch den Zaun in die Menge fliegen, die ersten Duisburger gingen zu Boden. Hier hätte die Polizei es dabei belassen können, stattdessen betraten sie auf möglichst einschüchternde Art den Block und bildeten um die dort stehenden Fans eine Kette. Die dort wartenden Fans waren aber keinesfalls ausschließlich die sogenannten Problemfans (von denen ich an dem Tag sowieso wenige gesehen habe), hier standen Familien, Kinder, Mütter, Jugendliche, Väter, Frauen. War aber kein Grund, Milde walten zu lassen. Wahllos wurde ab jetzt Pfefferspray eingesetzt, die Fans die in dem Chaos zur Toilette wollten um ihre Augen auszuwaschen wurden mit Schlagstöcken traktiert, regelrecht auf den Boden geschlagen, Fans die ob der für sie vollkommen unverständlichen Situation aufgebracht diskutierten und der Polizei zu nahe kamen wurde wieder das Spray in vollkommen übertriebenen Mengen entgegengesprüht. Augenzeugen berichteten hinterher von 7-8-Jährigen, denen aus kurzer Distanz das Tränengas direkt ins Gesicht gesprüht wurde, eine junge Frau (und damit das hier klar ist - die NICHT zu den sogenannten Problemfangruppen gehörte) bekam einen Schlagstock ab und musste noch lange nach dem Spiel von den Sanitätern behandelt werden.

Man sollte davon ausgehen, dass man es hier mit ausgebildeten Fachkräften zu tun hat, die eine vernünftige Ausbildung durchlaufen und auch auf solche Situationen geschult werden, die wissen wie man mit aufgebrachten Fans umgeht, die wissen welche gesundheitlichen Folgen ein Schlag mit dem Stock haben kann - und die vor allem in solchen Situationen auch deeskalierend einwirken können. Der Eindruck der in dem Chaos aufkam, war ein vollkommen anderer. Keinerlei erkennbare Struktur in den Reihen der Polizei, mit wahlloser Gewaltausübung wurde versucht wieder Herr des selbst ausgelösten Chaos zu werden. Die beschwichtigenden Worte gegenüber der Polizei brachten erstmal gar nichts, statt dessen wurden provozierend die Tränengasflaschen geschüttelt. Deeskalation? Fehlanzeige. Wir wollten eine Frau ca. Mitte 50, gut gekleidet, eher Marke Kaffeekranz, die mit in der von Tränengas brennenden Luft stand, durch die Polizeikette nach draußen lotsen - ihre Antwort auf unseren Vorschlag war nur: ‚Warum? Ich bleibe hier, ich bin auf Eurer Seite!' Das sagt wohl alles.

Erstaunlicherweise war es wieder eine Hundertschaft aus Bielefeld, die schon beim letzten Auswärtsspiel bei der Arminia einen Duisburger Fan mutmaßlich vorsätzlich von hinten mit dem Polizeibus angefahren hat.

Nachdem sich die Lage irgendwann einigermaßen beruhigt hatte wurden die Verletzten (Zeitungsberichten zufolge handelt es sich um sagenhafte 30!!!) in Autos verfrachtet und wir fuhren nach Hause. Hier möchte ich gerne sogar die Polizei lobend erwähnen! Wie es so üblich ist werden Fangruppen am Bahnhof an eine neue Truppe übergeben - die sich nach anfänglicher Verspanntheit (man hatte wahrscheinlich nach den Berichten aus dem Stadion mit kampfeswütigen Horden gerechnet) deutlich entspannte. Später am Duisburger Hauptbahnhof habe ich einen Beamten gefragt, woher die Hundertschaft käme. Er antwortete St. Augustin, fragte aber warum ich das wissen wolle. Meine Antwort war, weil der Kontrast zu dem vorher Erlebten so krass war. Da kuckt der mich an und sagt: ‚Warum, ich hab die Leute im Zug als sehr entspannt empfunden.' Ohne Worte.

Enttäuschung im Übrigen auch über den Fanbeauftragten, der NICHT vermittelnd zwischen den Fronten agierte, sondern der überhaupt nicht zu sehen war. Meiner Meinung nach erwarte ich aber genau solche Leute als allererstes zwischen den Reihen - oder wie ist der Job definiert? Die Leute, die sich zwischen Schlagstöcke/Tränengas und die Fans gestellt haben hatten mit Sicherheit auch Angst davor etwas abzubekommen, aber in solchen fast nicht mehr zu rettenden Situationen muss es auch Leute geben, die Recht und Unrecht ausblenden und versuchen, den Schaden zu begrenzen. Dafür gibt es solche Jobs!

Vollkommen daneben auch die Mitarbeiter des Caterers, der die Gästekurve bewirtschaftet. Auf freundliche Nachfragen nach leeren Colaflaschen (wir wollten Wasser für die Augen der vom Pfefferspray fast ‚blinden' Fans in der Toilette holen) kamen ausschließlich pampige Antworten. Selbst auf das Angebot, die leeren Flaschen für notfalls das Zwanzigfache zu bezahlen wurde nur mit abweisenden Worten reagiert. Die richtige Bezeichnung für so etwas ist wahrscheinlich unterlassene Hilfeleistung.

Es hätte ein Tag werden können, von dem wir alle noch lange gezehrt hätten, nach dem jeder mit einem Grinsen im Gesicht nach Hause gegangen und glücklich gewesen wäre. Und an den sich jeder der dabei war gerne noch lange erinnert hätte. Stattdessen war es ein Tag, an dem hinterher alle nur noch vollkommen konsterniert, geschockt und fassungslos nach Hause fuhren, und an den sich keiner mit Freude erinnern wird.

Matte